Markkleeberger Stadtjournal

Thomas Weiler

Übersetzer und Brückenbauer zwischen Sprachen und Kulturen

Die Überraschung war groß, als Thomas Weiler am Nachmittag des 27. März 2025 in der Glashalle der Leipziger Buchmesse seinen Namen hörte: Er wurde mit dem renommierten „Preis der Leipziger Buchmesse“ in der Kategorie Übersetzung ausgezeichnet – für seine deutsche Übertragung des dokumentarischen Sachbuchs „Feuerdörfer. Wehrmachtsverbrechen in Belarus“. Bereits einen Tag zuvor hatte Alhierd Bacharevic ˇ für den ebenfalls von Weiler übersetzten Roman „Europas Hunde“ den „Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung“ erhalten.

Doch wer ist dieser vielfach ausgezeichnete Übersetzer? Thomas Weiler wurde 1978 im Mittelschwarzwald geboren und lebt heute mit seiner Familie in Markkleeberg-Ost. Er übersetzt literarische Werke aus dem Polnischen, Russischen und insbesondere Belarussischen, darunter Romane, Lyrik, Sachtexte und Kinderbücher. Abseits seines Berufs ist er in der Auenkirchgemeinde verwurzelt, singt in der Kantorei, spielt Posaune und engagiert sich im Kirchenvorstand. Die Natur dient ihm als Erholungsraum – am liebsten gemeinsam mit seiner Frau und den drei Kindern.

Sein Weg zum Übersetzen begann mit dem Zivildienst in Minsk. „Ich wollte nach dem Abitur neue Orte kennenlernen und wusste, dass man einen Freiwilligendienst auch im Ausland machen kann. Ich habe mich beworben – und es hat geklappt.“ In Belarus arbeitete er eineinhalb Jahre in der Behindertenhilfe und lernte Russisch „mit dem Ohr, nicht mit dem Kopf“. Die Liebe zur Sprache war familiär geprägt, denn auch sein Onkel war Literaturübersetzer. Später studierte Weiler Russisch und Polnisch in Leipzig, Berlin und St. Petersburg. Bereits im Studium entwickelte er ein besonderes Interesse für das Belarussische und sein Literatur, die im deutschsprachigen Raum lange kaum wahrgenommen wurde.

Nach dem medialen Trubel um die Auszeichnungen im Frühjahr ist Weiler zu seinem Arbeitsalltag zurückgekehrt – und der folgt keinem festen 9-bis-17-Uhr-Rhythmus. Stattdessen orientiert sich seine Arbeit an den Projektphasen. Große Werke wie „Feuerdörfer” oder „Europas Hunde” erfordern monatelange konzentrierte Arbeit, die von intensiver Recherche begleitet wird. Zunächst entsteht eine Rohübersetzung, dann folgen mehrere Überarbeitungsschritte, um Stil, Rhythmus und Tonlage des Originals zu treffen – oft in enger Rücksprache mit dem Autor. „Mit Alhierd Bacharevic ˇ bin ich seit vielen Jahren im Gespräch. Er ist ein Autor, der sehr bewusst mit Sprache umgeht. Da muss man sich manchmal sehr anstrengen, um das im Deutschen genauso raffiniert hinzubekommen.“ Für Thomas Weiler ist die Arbeit mit solchen Autoren sehr wichtig: „In Belarus dürfen im Moment viele Autor:innen nicht mehr veröffentlichen oder sind ins Exil gegangen.“

Thomas Weiler ist es auch ein Anliegen, der Öffentlichkeit bislang weitgehend unbekannte Aspekte der deutschen Geschichte zu vermitteln. In „Feuerdörfer“, das im Original 1975 erschien, werden die systematischen Zerstörungen von über 600 belarussischen Dörfern durch die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg anhand von Augenzeugenberichten beschrieben.

Mit der Übersetzung von Kinder- und Jugendbüchern betritt Weiler ganz anderes Terrain. Die Werke reichen dabei von liebevoll illustrierten Pappbilderbüchern bis zu literarisch anspruchsvollen Jugendromanen. Ein charmantes Detail: In einem der von ihm übersetzten Bücher wird seine Tochter als „Co-Übersetzerin“ genannt.

Wer neugierig geworden ist, findet in der Stadtbibliothek Markkleeberg eine große Auswahl von Thomas Weilers Übersetzungen – vor allem im Bereich der Kinderbücher. Fragen Sie gern nach!

bw

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